Birkenrinde ist eines der vielfältigsten und faszinierendsten Materialien, die uns die Natur schenkt. Was uns in der modernen Industriegesellschaft heute Kunststoff ist, ist seit Jahrhunderten in vielen indigenen Kulturen die Birkenrinde.
Birkenkanus der Indianer
Einige Gruppen der alten Indianer gingen im heutigen Nordamerika und Kanada in extrem leichten, aus der überall verfügbaren Birkenrinde gebauten Kanus auf Fischfang. Noch heute sind diese Boote, die mit fester Birkenrinde umspannt sind, auf dem Kontinent beliebt, aber auch in Europa gewinnt diese alte Tradition immer mehr und mehr Anhänger. Bekanntester Birkenrinden-Kanubauer in Europa ist unser Freund und Kunde Markus Flückiger aus der Schweiz, der seine Kanus aus bis zu 5 Meter langen Bahnen sibirischer Birkenrinde fertigt.
Birkenleder von Kopf bis Fuß in Sibirien
Auch wenn die einem Einbaum ähnelnden Boote in Sibirien eher selten sind, wird das faszinierende Material auch hier seit Jahrhunderten vielfältig genutzt. Ethnien wie die Ewenken und Burjaten stellen neben den traditionellen Gefäßen, wie sie sagaan auch anbietet, und geflochtenen Körben und Schalen auch ihre Hausschuhe aus Birkenrinde her, die sogenannten Lapty (Лапты).
Die Chanty (Chansen) und Mansy (Mansen) in Westsibirien ernten seit Alters her häufig im Herbst die Rinde von der Birke, wenn nach dem ersten Frost die Säfte in die Wurzeln schießen. Dann lässt sich die Rinde zwar nicht ganz so leicht vom Baum lösen wie im Frühjahr, dafür ist die oberste Schicht der zwiebelschalenartigen Rindenhaut rötlich. Durch feines Einritzen lassen sich so wunderschöne Ornamente einprägen.
Bei den Udmurtinnen aus der Wolga-Region wird der Ajschon [alternative Schreibweisen: Aischon, Aishon] genannte Kopfschmuck aus Birkenrinde gefertigt. Auch der in Baden-Würrtemberg im Grab eines keltischen Adeligen gefundene „Keltenhut“, der an Stelle einer Krone getragen wurde, deutet darauf hin, dass schon früh die besondere Heilkraft der Birke bekannt war, die als Zeichen der Macht und Würde an Gold herankam.
Diese mythischen Eigenschaften, die der Birkenrinde, zuweilen auch Birkenleder oder Birkenkork genannt, nachgesagt werden, machten sich auch einige Schamanen zunutze, die ihre Kostüme aus Birkenleder nähten.
Nordrussland und Skandinavien: Liebesbriefe und Regentraufe
Viel weltlicher geht es in Weliki Nowgorod einher, wo die ältesten nichtlithurgischen Texte, die sogenannten „Birkenrindenurkunden“ gefunden wurden. Es gibt mehr als 1.000 Kurznachrichten, die einen interessanten Einblick ins damalige Alltags- und Liebesleben geben: Diese Birkenrindentexte lesen sich zuweilen wie SMS-Nachrichten aus der Urzeit, in denen sich Verliebte verabreden, Erledigungen geplant und Rechnungen beglichen werden.
Pragmatischer wird das Birkenleder bei den in Lappland wohnenden Samen verwendet, die zuweilen bis heute ihre zeltähnlichen Koten mit Birkenrinde gegen Wind, Wetter und besonders vor Wasser schützen.
Die wasserabweisende Funktion der Birkenrinde wird auch in anderen Gebieten Skandinaviens genutzt, wo – ähnlich wie bei hiesigen Reet-Dächern aus Schilf – der Birkenkork anstelle von Dachziegeln verwendet wird.
Die unverarbeitete Rinde, die sagaan bietet, hat „Dachdecker-Qualität“, d.h. sie verfügt über höchste Qualität und Dichte und ist ausreichend stark (ca. 2-6 mm).
Besonders in Norwegen und Schweden werden traditionell auch Griffe aus Birkenrinde gefertigt. Dieses alte Wissen ließ die mit sagaan befreundete Firma Betula Manus in jahrelanger Tüftelarbeit zur Perfektion reifen und produziert heute Werkzeuggriffe, Angelruten, Rasierpinsel, Fahrradgriffe und Türklinken in einer Lebenshilfe in Norddeutschland. Die dafür notwendige Rinde bezieht Betula Manus bei sagaan.
Pech und Cholera
Die wertvollen Inhaltsstoffe der Rinde machen die Birke so besonders. Schon zu Urzeiten lernte man, schwarzen Teer aus der weißen Rinde zu gewinnen. Birkenpech finden wir auch heute in verschiedenen Anwendungen, auch in der Körper- und besonders Hautpflege. Neben der Kosmetik werden die Inhaltsstoffe der Rinde auch in der Medizin genutzt. So wird aktuell der Einsatz von Birkenrindenextrakten in der Hautkrebstherapie erprobt.
Schützen und bewahren – damals wie heute
Ötzi vom Haslabjoch, der Mann aus dem Eis, trug bereits vor über 5000 Jahren sein wichtigstes Gut in Birkenrindegefäßen mit sich: Er transportierte seine Habseligkeiten und – damals ganz besonders wichtig – auch seine Glut in zwei Birkendosen, ähnlich wie wir sie heute verkaufen, Wie die Birkenrinde den Baum schützt und erhält, so erfüllt sie auch ihre bewahrende Funktion als Vorratsdosen für die Küche und als Brotdosen zum Frischhalten der Backwaren. In den „Tupperdosen der Steinzeit“ kommen die besonderen Eigenschaften des Naturmaterials zum Tragen: Das Betulin und die ätherischen Öle, die in der Rinde natürlich enthalten sind, wirken antiseptisch und halten so die wertvollen Lebensmittel lange frisch und bewahren sie vor Schimmel.
Sollten sich doch einmal Sporen oder sogar Ungeziefer in die Birkenrinde verfangen haben, finden Sie in unseren Pflegehinweisen Hilfe zur effektiven Pflege und Reinigung.
Konservierungsmittel Birkenrinde
Bis ins 20. Jahrhundert hinein machte auch eine traditionsreiche Branche von den Eigenschaften der Birkenrinde Gebrauch: Fischer nutzten Auszüge aus der Birkenrinde als Konservierungsstoff für ihre aufwändig geknüpften Fischernetze. Dieses Verfahren wurde als »Borken« Bezeichnet, wie aus einem Sonderdruck der Zeitschrift »Deutsches Seiler-Gewerbe« hervor geht: »Von der Wirkung der Birkenrindenlohe werden aus den nordischen Ländern wahre Wunderdinge berichtet. So behandelte Netze sollen 30 bis 50 Jahre halten«
sagaan und Birkenrinde
Dass Birkenrinde von ihrer glatten, goldig-gelb scheinenden Innenseite – die Seite, die wir gewöhnlich verwenden – so dicht hält, dass sie kaum Feuchtigkeit aufnimmt, bereitet uns und unseren Partnern große Schwierigkeiten bei der Arbeit in der Werkstatt: Diese Schutzfunktion lässt häufig Leim einfach abperlen.
Doch eben jene extreme Dichte sorgt für hervorragende Frische-Eigenschaften bei der aromadichten Lagerung stark aromatischer Lebensmittel wie Kaffee und Gewürze. Auch in Nordamerika und Kanada machten sich die Indianer seit langer Zeit die Eigenschaften dieses faszinierenden, ultraleichten und geschmeidigen Materials zunutze, indem sie ihre Kanus aus Birkenrinde bauten.
Birkenrinde ist geschmeidig wie Leder, verarbeitet sich wie Holz, wird wie Papier beschrieben, hält Häuser und Boote trocken wie Dachziegeln und verjüngt in Cremes und Shampoos die Haut. Dazu fasst sie sich, frisch vom Baum genommen, einmalig weich und samtig an.